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Ein Hexenschuss, der nicht weh tut

Ulrike Dangendorf veröffentlicht neue CD
»Spuren« widmet dem Ith eine Suite

Von Herbert Busch

Dass der knapp 20 Kilometer kurze Ith, ein von Höhlen
zerbröselter Klippenzug im Weserbergland, trotz
allerhand um ihn gewebter Sagen in der internationalen
Tonsetzung bislang wenig Aufmerksamkeit erregte,
erscheint nicht weiter verwunderlich.

Zu schmal der Rücken, zu schmächtig die Höhe, zu
bündig die Bezeichnung. Ohnehin rühren Erhebungen
Komponisten weniger an als zum Beispiel - Donau,
Moldau, River Kwai – Flussläufe. Von Liebe, Lust und
Leid ganz zu schweigen. Dass indes auch abseits
herkömmlicher Themata hörenswerte Musik zu er-
finden und zu interpretieren ist, stellt Ulrike Dangendorf
mit ihrer jüngsten Veröffentlichung »Spuren« eindrucks-
voll unter Beweis – unter anderem mit einer kompletten
Ith-Suite.

Die reichlich mit Preisen belobigte Solo-Akkordeonistin
ließ den 16 auf der CD vorgestellten Stücken sechs
Jahre Zeit, um Veröffentlichungsreife zu erlangen.

»Spuren«, sagt Dangendorf, sei kein Produkt von der
Stange. »Viele Titel haben mit konkreten Ereignissen
und persönlichen Erlebnissen zu tun.« Was der ohne
jegliche Begleitung eingespielten Aufnahme ungeachtet
unterschiedlichster Rhythmen und Melodien eine an-
genehme Kontinuität verleiht. Obwohl zwischen dem
wie ein Springinsfeld daherkommenden Opener »Happy
Birthday Kilian« und dem beinahe beängstigend mono-
ton-meditativ angelegten Schlussstück »Freitag der
Dreizehnte« der gesamte Facettenreichtum des tasten-
bewehrten Blasebalgs aufgezeigt wird, entfernt sich
die Künstlerin in keinem Moment allzu weit von den
zu Beginn der Einspielung geweckten Erwartungen
des Hörers. Selbst die »Musik für einen Hexenschuss«
tut nicht wirklich weh.

Als kompositorische Glanzlichter stehen »Linie 1« –
Dangendorf: Die musikalische Umsetzung einer selt-
samen Begegnung in der Berliner S-Bahn irgendwo
zwischen Wannsee und Oranienburg - sowie die
instrumentale Schilderung eines zwischen Tag und
Traum in Italien erlebten Geschehens (»Der Markt
von Recanati«) und das bereits erwähnte Schluss-
stück ein wenig heraus. Und natürlich die dem Ith
gewidmete Suite. Anmerkenswert: Just im einzigen
Blues der CD greift die Interpretin (bewusst) neben
das Klischee. »Halt! Stopp! Moment mal!« hat reinweg
gar nichts vom gewöhnlichen »My-Baby-Left-Me-
Geseire«.

Hier – im Anschluss an vier Liebeslieder und vor einem rauschenden Kostümfest (»Fenster nach Osten«) – tritt Dangendorf nassforsch und schwer sympathisch dem
Trend zur Zerredung entgegen.

Ebenfalls sympathisch: Die Solistin vermeidet es, Ideen
über die Maßen zu strapazieren. Auswalzung ist nicht
ihr Ding, Reduzierung aufs Wesentliche angesagt.

Der längste Titel misst (hörenswerte) 5:50 Minuten;
bei »Am Teich blühen die Rosen« ist nach (aus-
reichenden) 62 Sekunden Schluss. Auch die »Ith-
Suite« besticht durch erquickende Kürze. »Tanz
der Winde«, »Der Vaterbaum« und »Gänseblümchen« entfalten innerhalb von fünf Minuten die ganze Pracht
des Höhenzuges. »Am Westhang des Ith habe ich
zum ersten Mal gehört, wie der Wind wandert«,
schildert Dangendorf eine ihrer Inspirationen. Wer
der Musikantin und ihrem »Tanz der Winde« un-
voreingenommen folgt, wird nicht umhinkommen, selbstvergessen eben falls ein kleines Tänzchen
zu wagen.

Apropos Tänzchen: Der ganze Zauber der »Spuren«
entfaltet sich live noch wesentlich vergnüglicher als
in gepresster Form. Dangendorf musiziert im Stehen.
Was jedoch nicht an die markigen Schifferklavier-
Matrosen von der Waterkant erinnert. Sich aber aus-
nehmend wohltuend vom Quetschkommoden-Gig der
sitzenden Balg-Bediener unterscheidet. Dangendorf
schmusetanzt das Akkordeon. Und verleiht dem instru-
mentellen Schwergewicht eine frappierende Unbe-
schwertheit, die das Paar vermeintlich schweben
lässt. Über den Ith schafft es die Zweieinheit mit
Leichtigkeit. Und immer wieder.


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